Bonn, Weststadt

Rottenburgstraße 3: Lange war Berlin mein Flucht- und Perspektivpunkt gewesen. Nun übernahmen andere Städte diese Rolle: zuerst Prag, dann Wien und schließlich London. Als ich 1986 ein Radiofeature über den Notting Hill Carnival produzierte, war dies genauso eine Premiere wie wenig später die Sendung über das multikulturelle London. Auch das Porträt des ersten Calypso-Königs in Trinidad mag exotisch gewirkt haben. Aber es war, wenn auch äußerst unterhaltsam, eine Variation eines gar nicht so amüsanten Themas: des Kolonialismus und seiner Spätfolgen. Dass ich nach meinen Büchern über die Karibik den Reisejornalismus aufgab, ist kein Zufall. Dass ich später ein Bradford- und ein Bagdad-Porträt schrieb, auch nicht.

Es war schon eine extrem produktive Zeit. Zwölf Bücher entstanden (also fast jedes Jahr eines), ähnlich viele Fernsehfilme und Radiofeatures und ungezählte Reportagen. Seit 1990 war Mandy Howard, meine Frau, die ich in London kennengelernt hatte, für die Recherche verantwortlich. Große Projekte wie  Super oder Nornal, das zweite Tankstellenbuch, zwei Karibik-Reiseführer haben wir gemeinsam auf die Beine gestellt. Noch ganz ohne Email und Internet. Dann war da noch Westwind, die erste Programmwoche des WDR, die nach meiner Idee entstand. Für den Eröffnungsfilm hat man mir in Berlin in der Neuen Philharmonie einen Fernsehpreis in die Hand gedrückt ..

Immer wieder begegnete ich höchst ungewöhnlichen Menschen. Wie dem Wiener Jazz-Lyriker Ernst Jandl, den ich im Café Museum traf (Friederike Mayröcker hatte er gleich mitgebracht). Neville Mercano, alias Growling Tiger, der erste Calypso-King auf Trinidad, war ähnlich beeindruckend. Nicht zu vergessen die britische DJ-Legende John Peel, den ich bei ihm zuhause in East Anglia traf. Beim Besuch des amerikanischen Film- und Tankstellendesigners Saul Bass in Hollywood haben mir dann die Knie gezittert ..